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AutorenbildTanja Mäder

Gib mir dein Geld! Kampfkunst




Kampfkunst und Kampfsport ist geil.

Da gibst du mir sicher Recht.

Aber in der Martial Arts Welt kursieren auch viele Fehlinformationen und regelrechte Scams.

Was ich damit meine?

Ich erzähle dir von meinen beiden ersten Jahren als Kampfkünstlerin.

Selbstverteidigung ist einfach

Ich bin in die Kampfkunst reingerutscht, durch ein falsches Versprechen. Ich war etwas sportfaul geworden und wollte mich wieder regelmässig bewegen. Zu dieser Zeit landete ein Flyer in meinem Briefkasten:

"Lerne, dich selbst gegen stärkere Gegner zu verteidigen!"

Es wurde ein System vorgestellt, dass versprach, dass Selbstverteidigung einfach ist.

Dass sie selbst gegen stärkere Gegner funktioniert.

Dass sie Angreifer ins Leere laufen lässt und das alles ohne all zu viel Aufwand.

Eine Technik, die von einer Frau entwickelt wurde, um stärkere Männer abzuwehren.

Es klang zu gut!

Vielleicht hast du schon erkannt, um welche Kampfkunst es sich hier handelt.

Ich rede von Wing Chun (ich nutze bewusst die neutrale Schreibweise).

Bezahl mich, und du lernst alle Geheimnisse

Ich sage dir nicht, welche Schule ich besucht habe, nachdem mich der Flyer erfolgreich angeworben hatte. Ich sage dir nur so viel: Es war eine Geldmaschine.

(Vielleicht weisst du ja jetzt, wovon ich rede)

Die Vereinsgebühr ging ja noch. Diese betrug CHF 80.00 im Jahr. Obwohl ich nie verstanden habe, wieso ich in einem System, dass mir ca. 1000 Franken Abogebühren pro Jahr verrechnet, noch "Vereinsgebühren" bezahlen mussten. Vielleicht kannst du mir das in den Comments erklären.

So weit so gut.

Bis zur ersten Prüfung. Die stand dann man ziemlich schnell an. Denn in diesem System hattest du die Möglichkeit, ca. alle drei Monate einen Schülergrad höher zu steigen. Es gab 12 Schülergrade. Dann fingen die Lehrergrade an.

Ich bin mir nicht mehr zu 100% sicher, wie viel meine erste Prüfung kostete. Waren es 80ig, 100 oder 110 Franken? Jedenfalls genug.

Aber das tolle an diesem Geldsystem war, dass man mit jeder Schülerprüfung mehr Geld bezahlen durfte. Denn wie eine brave Kung Fu Schülerin gab ich mir Mühe, möglichst schnell vorwärts zu kommen.

Du musst verstehen - neue Techniken wurden uns erst gelehrt, wenn wir einen neuen Grad erreicht hatten. Als dann die Prüfungsgebühr CHF 160.00 kostete wurde ich stutzig. Auf die Frage, wieso das jetzt teurer wird wurde irgendwas gelabert von höheren Administrationskosten und der Ehre, mit dem Meister trainieren zu dürfen.

Weil, das beste habe ich noch gar nicht erwähnt: Die Prüfungen fanden im Dojo des Meisters statt. Weil er ja sehen musste, dass unsere Skills auch ausreichend sind. Und diese Ehre alleine war CHF 100.00 wert. Wurde mir jedenfalls so erklärt. Und ja, ich machte diesen Unsinn auch noch mit. Bis zum 6. Schülergrad.

Und nein, das waren keine Privatlektionen mit dem Meister. Das war eine Fahrt in eine andere Stadt, mit ganz vielen Sektenteil… ich meine Schülern.

Keine Attacke ist uns gewachsen

Die Prüfungen waren lächerlich einfach. Das System? Funktioniert nicht.

Jedenfalls nicht für sich alleine in einem ernsten Kampf.

Aber es hat auch mich lange genug getäuscht. Erst als Kickboxerin wurde mir so richtig klar was es heisst, "gut" kämpfen zu können und dass sogar Profiskills auf der Strasse versagen können.

Das wurde uns in der Wing Chun Community leider anders beigebracht.

Die Versprechungen, die der Flyer machte wurde uns auch von den Trainern - sorry - Sifus eingetrichtert. Wir hatten Happenings, in denen wir sogar Messer- und Pistolenattacken abzuwehren übten. Alles mit tollen 1-2-3 Techniken.

Wäre dein Gegner eine Schaufensterpuppe, hätte es gut funktioniert.

Halbgötter und Abtrünnige

Ich habe in Internetforums gelesen, Trainer bezahlen über 1000 Euro für gewisse Prüfungen. Ob es wahr ist, kann ich nicht sagen. Aber das waren schon kleine Halbgötter.

Sie trainierten auf einer erhöhten Plattform und trugen andere Shirts als wir. Ja, die Bekleidung durften wir auch kaufen!

Was sie sagten, war Gesetz. Die Techniken wurden selten bis gar nicht hinterfragt. Hingegen lernte man auch schnell, dass die Konkurrenzschule, die sich anders schreibt, alles Abtrünnige des Grossmeisters seien und wir, zum Glück, in der "richtigen" Schule gelandet sind.

Meine Learnings

Mir geht es nicht darum, abzuhaten. Oder nicht in erster Linie. Mir geht es darum dir zu sagen, dass es viele schlechte Schulen und Systeme gibt. Wenn ein System dir verspricht, allen anderen überlegen zu sein, dass du ohne viel Anstrengung auch stärkere Gegner besiegen kannst und wenn kein Raum für Fragen und Kritik da ist - lauf weg.

Mal abgesehen davon, dass du eine sehr gute Kampfsportschule besuchen kannst für ca. CHF 1000.00 im Jahr. Ganz ohne zusätzliche Kosten.

Und du lernst sogar kämpfen. So richtig.

Systeme wie dieses ziehen die das Geld aus der Tasche und geben dir eine falsche Sicherheit. Was ich als Selbstverteidigungstrainerin besonders besorgniserregend finde.

Wenn du noch mehr Details zu dieser Geschichte hören willst, ich habe eine Podcastfolge darüber gemacht.

Diese kannst du dir hier anhören.

Tanja


Das Bild ist übrigens auf der chinesischen Mauer entstanden. Als ich endlich eine gute Kung Fu Schule besucht habe.

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